Mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 unterbindet das SED-Regime, dass immer mehr Menschen aus der DDR fliehen. Dazu dient anfangs Stacheldraht, dann ein immer weiter entwickeltes System von Sperren. Rund um West-Berlin legen die DDR-Grenztruppen den sogenannten Todesstreifen zwischen zwei Mauern von 168 Kilometern an. Auf ihm darf nur kurz geschnittenes Gras wachsen, wenn überhaupt. Um jeden Bewuchs zu verhindern, harken die Soldaten regelmäßig Streifen aus Sand. So bleibt bei einem Fluchtversuch jede Spur sichtbar – und auch jeder Fehler, der den Wachen unterläuft. Pflanzen sind an der tödlichen Grenze nicht willkommen.
Wo einst die Grenztruppen patrouillierten, verläuft heute der Mauerweg. Statt des kargen Grüns früherer Zeiten wachsen an seinen Rändern vielerorts Wiesen und Bäume. Besonders bunt und prächtig sind die Japanischen Blütenkirschen. Sie erinnern daran, wie sehr die friedliche Revolution und das glückliche Ende der Teilung viele Menschen in Japan bewegt. 1990 ruft dort der Fernsehsender TV Asahi zu Spenden auf, um in Berlin und Umgebung Kirschbäume zu pflanzen. Die Kirschblüte, japanisch Sakura, ist ein besonderes Ereignis im Kalender des Insellandes. Wenn ab Ende März die Bäume ihre Knospen öffnen, begrüßen die Menschen den Frühling. Beim Hanami, dem Blütenschauen, picknicken sie mit Familie oder Freunden unter den Bäumen. Mit den weißen und rosa Kirschblüten verbinden sie Schönheit und Vergänglichkeit.
In Berlin entsteht aus dem Spendenaufruf des Senders die Organisation Sakura-Campaign, sie verwaltet eine Million Euro. 1990 und 1994 kauft sie in Japan junge Kirschbäume verschiedener Sorten ein und lässt sie nach Berlin liefern. Baumschulen kümmern sich um die Pflanzen, von denen je zwei am 10. November 1990, ein Jahr nach dem Mauerfall, an der Glienicker Brücke zwischen Berlin und Potsdam sowie am Brandenburger Tor gepflanzt werden. Insgesamt sind es über 9.000 Bäume. Davon stehen 1.100 auf dem Mauerweg zwischen Berlin-Lichterfelde und Teltow in Brandenburg und über 1.400 im Landschaftspark Nord-Ost in Lichtenberg. Die letzten acht Bäume finden am 9. November 2010 an der Bösebrücke ihren Bestimmungsort. An dieser Stelle überschritten am 9. November 1989 am damaligen Grenzübergang Bornholmer Straße Ost-Berlinerinnen und -Berliner erstmals die Mauer. Unterhalb der Brücke stehen schon seit den Neunzigerjahren weitere Bäume, außerdem am nahen Mauerpark und am S-Bahnhof Wollankstraße. Sie markieren eine verschwundene Grenze, die 28 Jahre lang für Trennung und Tod stand.