"Bierburgen" nennt der Volksmund die großen Brauereien, die das Heranwachsen des Stadtviertels Prenzlauer Berg im 19. Jahrhundert prägen. An der Schönhauser Allee füllen Arbeiter bis 1968 das Bier von Schultheiss ab, dann wird die veraltete Fabrik geschlossen. Ein Möbelmarkt zieht ein, im beliebten Franz-Club feiert die Jugend Ost-Berlins. Andere Bereiche des Komplexes sind ungenutzt und verfallen.
Auch der Zustand der historischen Altbauten rund um das Gelände verschlechtert sich über die Jahre. Der staatlich gelenkte Wohnungsbau konzentriert sich auf neu gebaute Musterstädte nach sozialistischem Vorbild. Da der Bedarf an Wohnraum jedoch nie gedeckt werden kann und viele ein Leben nach der Norm ablehnen, wird die Gegend zum Anziehungspunkt für die kreative Szene. Trotz ständiger Überwachung gelingt es ihr, mit vielen Aktionen die Vorgaben der SED-Diktatur in Frage zu stellen.
Als 1990 die neue Freiheit anbricht, besetzen Kreative die maroden Gebäude der Kulturbrauerei. Sie wollen dort auf Dauer wirken und sich selbst verwalten. Dazu gründen sie eine gemeinnützige GmbH und entwerfen mit staatlicher Unterstützung ein Nutzungs- und Sanierungskonzept.
Bis 2000 wird das Ensemble für 100 Millionen D-Mark saniert. Die seit 1974 denkmalgeschützte Bausubstanz der Kulturbrauerei bleibt weitgehend erhalten, eine Tiefgarage ist der einzige echte Neubau. Ein gutes Drittel der 40.000 Quadratmeter Mietfläche sind für die gemeinnützige GmbH reserviert. Und so entsteht eine Mischung aus unterschiedlichen Kultureinrichtungen der unabhängigen Kulturszene, einem Kino, mehreren Clubs, Restaurants und einem Konzertsaal.
In der Kulturbrauerei findet auch ein Museum seinen Platz. Seit 1994 zeigt die Sammlung Industrielle Gestaltung in wechselnden Ausstellungen, was Formgestalterinnen und -gestalter in der DDR entwarfen. Aufgrund des schwierigen Zustandes der großen Sammlung wird diese 2005 der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland übertragen. Seitdem wird dieser einzigartige Bestand dokumentiert, bewahrt und dem nationalen wie internationalen Leihverkehr zur Verfügung gestellt. Zahlreiche Objekte sind seit 2013 in einer neuen Ausstellung sowie an den Standorten in Berlin, Leipzig und Bonn zu sehen.
Zusammen mit der Immobiliengesellschaft, der das Industriedenkmal gehört, wechselt die Kulturbrauerei mehrmals den Eigentümer. 2021 macht sich bemerkbar, dass die kulturelle Nutzung in den Neunzigerjahren nicht dauerhaft festgeschrieben wurde. Der Bezirk Pankow stellt deshalb einen Bebauungsplan auf, der dies nachholt. Auch wenn die Mieterinnen und Mieter auf dem Gelände mit der Mietpreisentwicklung und veränderten Rahmenbedingungen zu kämpfen haben, ist die Kulturbrauerei mit ihren vielseitigen Angeboten ein wichtiges Aushängeschild der Stadt geblieben.