Einheit

Palast der Republik

Das Humboldt Forum, davor die von Autos befahrene Straße Unter den Linden.

Das Humboldt Forum, 2022.

Menschen gehen auf der Straße Unter den Linden vor dem Palast der Republik entlang, links im Hintergrund befindet sich der Fernsehturm.

Der Palast der Republik, Juli 1990.

Palast der Republik

Ein neues Parlament am alten Ort

Am 18. März 1990 wählen die Menschen in der DDR erstmals ein freies, demokratisches Parlament: die Volkskammer. Ihr Sitz ist im Palast der Republik. Ein Wahlbündnis tritt für eine rasche Wiedervereinigung ein. Es wird von Bundeskanzler Helmut Kohl unterstützt und gewinnt die Wahl.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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Am 18. März 1990 schaut die Welt auf den Palast der Republik. Vor dem DDR-Prachtbau stehen unzählige Satellitenschüsseln. Journalisten aus Deutschland und der Welt berichten über die erste freie Abstimmung zum DDR-Parlament. Das Thema der Wahl: Kommt die Deutsche Einheit schnell oder in kleinen Schritten? Dass sie kommt, bezweifelt kaum noch jemand. Schon seit Monaten rufen die Demonstranten auf den Straßen der DDR: "Wir sind ein Volk" und "Deutschland, einig Vaterland".

Hinter den 24 Parteien und Listen, die sich um die Parlamentssitze bewerben, liegt ein kurzer und intensiver Wahlkampf. Nur sieben Wochen zuvor hat der Runde Tisch, an dem Vertreter der alten und neuen politischen Kräfte Vereinbarungen treffen, die Wahl von Mai auf März vorgezogen. Die Übergangsregierung soll möglichst bald von einer demokratisch gewählten abgelöst werden, denn die Probleme sind groß. Jeden Tag verlassen Tausende die DDR in Richtung Bundesrepublik. Immer neue Details über Misswirtschaft und Umweltzerstörung werden bekannt, ebenso das Ausmaß der Überwachung durch die Staatssicherheit. Die schwere Krise der DDR mit ihrem zerrütteten System und der maroden Wirtschaft machen einen schnellen Zusammenschluss mit dem größeren deutschen Staat immer wahrscheinlicher.

Viele in der DDR, die eine rasche Einheit wollen, setzen ihre Hoffnung auf Helmut Kohl. Der Bundeskanzler hat eine Wirtschafts- und Währungsunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR in Aussicht gestellt. Hunderttausende jubeln ihm zu, als er verspricht: "Keinem wird es schlechter gehen, vielen aber besser!" Auf sechs großen Kundgebungen unterstützt er das Wahlbündnis Allianz für Deutschland, dem auch die ostdeutsche CDU angehört und das für eine schnelle Vereinigung mit der Bundesrepublik eintritt. Zuvor benutzt das Einparteiensystem der DDR Parteien wie die CDU, um einen demokratischen Schein aufrecht zu erhalten. De facto stützen sie alle die Herrschaft der Staatspartei SED. Im Wahlkampf 1990 bekennt sich die ostdeutsche CDU nun offen zur Demokratie und verbündet sich in der "Allianz für Deutschland" mit zwei neu gegründeten konservativen Parteien.

In den Umfragen vorne liegt die SPD. Sie ist aus der Opposition gegen die SED-Diktatur hervorgegangen und spricht sich ähnlich klar für die Einheit aus. Sie baut ebenfalls auf die Schwesterpartei im Westen, doch nicht alles, was von dort kommt, ist hilfreich. So warnen manche westdeutsche Sozialdemokraten vor den Kosten der Wiedervereinigung oder sprechen sich für ein langsames Vorgehen aus. In der Folge setzen viele DDR-Wählerinnen und -wähler lieber auf die CDU.

Schließlich melden die Reporter aus Ost-Berlin: CDU 40,8 Prozent, SPD 21,9 Prozent, PDS (ehemals SED) 16,4 Prozent. Das Wahl-Ergebnis ist ein Triumph für Bundeskanzler Helmut Kohl. Die neue DDR-Regierung erhält damit den Auftrag, die Einheit so schnell wie möglich herbeizuführen. Die "Allianz für Deutschland" bildet eine große Koalition mit der SPD und den Liberalen. Sechseinhalb Monate später, nach angespannter Regierungsarbeit, wird am 3. Oktober der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wirksam. Die Volksvertreter erfüllen das Versprechen einer schnellen staatlichen Einheit, als sie am 23. August 1990 im Palast der Republik für den Beitritt zur Bundesrepublik stimmen. Viel länger wird es dauern, bis Ost und West auch emotional und gesellschaftlich zusammenwachsen.

PALAST DER REPUBLIK

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Politikerinnen und Politiker kämpfen im Frühjahr 1990 um ihren Einzug in das erste frei gewählte Parlament der DDR. Nachträglich sprechen sie über ihre Erinnerungen an den Wahlkampf und darüber, welche Rolle die Bundesrepublik spielt.
 

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Intro
Hans-Werner Martin berichtet von seinem ersten Wahlkampf.
Rolf Berend will keinen Wahlkampf wie im Westen führen.
Ulrike Poppe warnt vor einer schnellen Währungsunion.
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Palast der Republik

Im März 1990 finden die ersten und einzigen freien Parlamentswahlen der DDR statt. Neue und altbekannte Parteien kämpfen um den Einzug in die Volkskammer im Palast der Republik. Politisch Aktive erinnern sich an den Wahlkampf und die Rolle der Bundesrepublik.

Zeitzeuge

Hans-Werner Martin

Hans-Werner Martin macht für die neue SPD-Ost Wahlkampf. Mit der Politik der Schwesterpartei im Westen ist er nicht zufrieden. Er hat kein Verständnis für die zögerliche Haltung des angehenden SPD-Kanzlerkandidaten Oskar Lafontaine zur Wiedervereinigung.

"Schön war die Zeit nach dem Mauerfall: zunächst Parteigründung und Parteiaufwachsen und dann der erste freie Wahlkampf. Das war zur Volkskammerwahl. Wir haben alle selbst mitgemacht. Da gab es keine Werbefirmen, die das gemacht haben. Wir sind selber nachts mit unserem Trabi, einem Leimeimer und Plakaten rumgefahren und haben die Städte vollgeknallt, wie es nie wieder passiert ist. Wir haben uns gegenseitig gejagt, sind irgendwo eine Straße langgefahren, SPD-Plakat angeklebt, zurückgefahren. Dann war ein PDS Plakat drüber. Das haben wir wieder abgerissen und unseres von der SPD draufgeklebt. Wenn wir den Plakatkleber von der PDS gefunden haben, haben wir gesagt: Wenn du nochmal hier langkommst, kriegst du die Hucke voll! Es war alles zum Totlachen. Die SPD war bei der Wahl zweiter Sieger. Da hat die SPD selbst Schuld dran gehabt, weil ein gewisser Herr Lafontaine damals nur die Kostenfrage aufgeworfen hat. Er meinte, das sei alles zu früh, was politisch völliger Schwachsinn war. Es konnte gar nicht schnell genug gehen! Wir hatten in Deutschland nur ein ganz schmales Zeitfenster. Die Sowjetunion war am Zerbrechen und jeder, der wirklich Spitzenpolitiker war, hätte die Zeichen der Zeit eigentlich richtig sehen müssen. Herr Lafontaine wollte sie wohl nicht sehen."

Zeitzeuge

Rolf Berend

Rolf Berend tritt bei der Volkskammerwahl für die CDU an. Dafür erhält er Hilfe aus den westlichen Bundesländern. Doch Wahlkampf wie im Westen will er nicht führen.

"Wir bekamen Unterstützung von den Hessen und von den Niedersachsen, die uns mit Broschüren weiterhalfen. Sie druckten unser Bild in die Broschüren und wollten auch Plakate von uns machen – von mir machen – Plakate, so dass wir an die Lichtmasten gehängt werden sollten: Ihr seid wohl verrückt! So was kommt nicht in Frage. So was lassen wir nicht zu. Wir lassen uns nicht dort öffentlich aufhängen. An solchen offiziellen Stellen wurde immer nur einer aufgehängt: Erich Honecker. Vielleicht hingen noch andere Mitglieder des Politbüros da, aber ein normaler Mensch wurde niemals für Werbezwecke irgendwo aufgehängt. Das kommt nicht in Frage. Wir haben also von uns keine Plakate machen lassen, obwohl das die Niedersachsen und die Hessen überhaupt nicht verstanden."

Zeitzeugin

Ulrike Poppe

Ulrike Poppe ist schon seit den frühen 1980er Jahren in der DDR-Opposition aktiv. Mit dem Bündnis 90, einer Vereinigung mehrerer Bürgerbewegungen, warnt sie im Wahlkampf davor, sich dem Wirtschaftssystem der Bundesrepublik zu schnell anzuschließen.

"Wir ließen uns beraten vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Dort sagte man uns, dass die zu schnelle Wirtschafts- und Währungsunion einen Bankrott auch der noch rentablen DDR-Betriebe nach sich ziehen würde. Und das würde bedeuten, dass es soziale Folgen gibt, die ganz schwer in den nächsten Jahrzehnten zu bewältigen sind. Aber: das war nicht sehr populär, was wir da sagten: Zeit lassen, Zeit lassen, auf Augenhöhe. Die Mehrheit der Bevölkerung wollte so schnell wie möglich in den Westen. Von CDU-Seite wurden dann ja auch Versprechungen gemacht. Von blühenden Landschaften war die Rede und niemandem wird es schlechter gehen. Das wollten die Leute glauben. Verunsichert durch die letzten Monate ist ihnen ja auch nicht zu verdenken, dass sie gerne wieder in stabile Strukturen kommen wollten."

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