Einheit

Redaktion der Superillu

Plattenbau an der Kreuzung zwischen Mollstraße und Prenzlauer Allee. Im Hintergrund rechts befindet sich der Fernsehturm.

Mollstraße 1, 2022.

Grauer Plattenbau mit ADN-Schriftzug oben rechts an der Fassade. Davor eine Kreuzung, an der Autos an einer Ampel halten und Menschen über die Straße gehen.

Die erste Redaktion der Superillu in der Mollstraße 16. April 1991.

REDAKTION DER SUPERILLU

Die Stimme des Ostens

1990 entdeckt der westdeutsche Burda-Verlag den Osten für sich und gründet die Superillu. Die Redakteurinnen und Redakteure schreiben für die Ostdeutschen, nicht über sie. Damit gibt die Wochenzeitschrift ihnen nach vielen Jahren ohne freie Presse eine mediale (Boulevard-)Heimat.

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Nach der ersten demokratischen Wahl im März 1990 gibt es in der DDR erstmals Pressefreiheit. Auch der westdeutsche Burda-Verlag versucht mit der neu gegründeten Zeitschrift Superillu auf dem ostdeutschen Markt Fuß zu fassen. Im Sommer 1990 beziehen zwanzig Journalistinnen und Journalisten ihre neuen Redaktionsräume in der Mollstraße in Ost-Berlin. Die eine Hälfte von ihnen stammt aus der DDR, die andere aus der Bundesrepublik. Im Jahr zuvor ist die Mauer gefallen, wiedervereinigt ist Deutschland noch nicht. Nur wenige Monate zuvor residierte im gleichen Gebäude noch der Allgemeine Deutsche Nachrichtendienst, ADN. Die DDR-Nachrichtenagentur verkündet, was führende Politiker der DDR verbreiten wollen. Pressefreiheit gibt es in der DDR nicht.

Üblich sind sperrige Schlagzeilen die vermeintliche Erfolge des Sozialismus feiern. So titelt das SED-Parteiorgan "Neues Deutschland" noch am 7. Oktober 1989, einen Monat vor Mauerfall, zum vierzigjährigen Bestehen der DDR: "Die Entwicklung der Deutschen Demokratischen Republik wird auch in Zukunft das Werk des ganzen Volkes sein."

Vom alten ADN-Gebäude aus bringt der Burda-Verlag eine neue wöchentliche Illustrierte auf den Markt: die Superillu. Die Redaktion soll schreiben, was der Osten lesen will, nicht, was die Menschen im Westen über ihn denken. Damit spricht die neue Zeitschrift eine ganz neue Zielgruppe an: die von der Diktatur befreiten Ostdeutschen.
Am 23. August 1990 liegt die erste Ausgabe der knalligen Illustrierten in den Verkaufsregalen. Sie berichtet über einen Skandal um Ex-Staatschef Erich Honecker, billige Gebrauchtwagen und die neue Freiheit – auch im Bett. Sex ist, noch vor der DDR-Vergangenheit, das Thema in der Anfangsphase. Eine typische Schlagzeile lautet: "Kriegen Ostfrauen häufiger einen Orgasmus?"

Jochen Wolff wird 1991 Chefredakteur und prägt die Zeitschrift zwanzig Jahre lang. Er ist Bayer und muss sich zunächst mit dem Denken und den Interessen seines Publikums vertraut machen: "Wir haben über Erfolge beim Aufbau nach der Wende berichtet. Nicht hauptsächlich über Misserfolge wie viele Westmedien, die dann grandios gescheitert sind", erklärt er die Erfolgsstrategie. Bald gilt die Superillu als "Zentralorgan des Ostens". Nicht allen gefällt das oft reißerische Blatt. Die Konkurrenz nennt es einmal "krawallige Busenpostille", doch die Leserinnen und Leser lassen sich nicht stören.

Viele Ostdeutsche verlieren nach der Deutschen Einheit ihre Arbeit. Die Verkaufszahlen der Superillu brechen kurzzeitig ein. Die Redaktion muss umdenken. Sie schreibt mehr über die neue Lebens- und Arbeitswirklichkeit im Osten, behandelt Betriebsschließungen und dient den neuen Bundesbürgerinnen und -bürgern als Ratgeberin rund um Arbeitslosengeld und Kurzarbeit. Daneben gibt sie weiterhin Haushaltstipps und berichtet über Stars und Sternchen aus dem Osten wie die Schlagersängerinnen Helga Hahnemann und Chris Doerk oder den Schauspieler und Sänger Manfred Krug.

Bald erreicht die Superillu in den neuen Bundesländern eine höhere Auflage als Stern, Focus, Spiegel und Bunte zusammen. Auch viele Jahre nach der Wiedervereinigung folgt der Zeitungsmarkt im Osten noch immer ganz eigenen Anforderungen. Die Wochenzeitschrift "Die Zeit" gibt mittlerweile eine eigenständige Zeitung für die Region heraus. Auch das ehemalige SED-Zentralorgan "Neues Deutschland" existiert heute noch als freie sozialistische Zeitung mit einem Schwerpunkt im Osten der Republik.
Die Redaktion der Superillu zieht 2004 vom ADN-Gebäude an den Potsdamer Platz. Weiterhin sorgt sie dafür, dass auch ostdeutsche Sichtweisen ihren Platz haben und konzentriert sich auf Leserinnen und Leser zwischen Rügen und dem Vogtland.

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