Einheit

Schloss Schönhausen

Straße, die auf den Eingang zum Schlosspark zuläuft. Passierende sind zu Fuß und auf dem Fahrrad unterwegs.

Schloss Schönhausen, 2022.

Menschen mit Plakaten stehen am Konferenzgebäude des Schlosses Schönhausen.

Bürger mit Transparenten am Schloss Schönhausen, 22. Januar 1990.

SCHLOSS SCHÖNHAUSEN

Am Runden Tisch zur Demokratie

Im Herbst 1989 wankt das SED-Regime in der DDR, doch es fällt nicht. Anstatt die Macht allein zu beanspruchen, setzt sich die Opposition mit den alten Machthabern an den Runden Tisch im Schloss Schönhausen. Alte und neue Kräfte vereinbaren dort den Übergang zur Demokratie.

DIE GESCHICHTE HÖREN

00:00
00:00

Auf der einen Seite Anzug und Krawatte, auf der anderen Halstücher, handgestrickte Wollpullover und Vollbärte. Auf den dicken Teppichen des edlen Konferenzsaals des Schlosses Schönhausen treffen Ende 1989 zwei Welten aufeinander. Die bislang uneingeschränkt herrschende Staatspartei SED und die ihr bisher untergeordneten Blockparteien kommen mit neuen politischen Gruppen ins Gespräch.

Die Bürgerrechtsgruppe Neues Forum oder die SPD der DDR sind im September und Oktober 1989 entstanden, als immer größere Proteste die Macht der SED in Frage stellen. Die Gegner des Regimes wagen es nun, offen aufzutreten und sich zu organisieren. Am 9. November 1989 fällt die Mauer. Der DDR laufen die Menschen nun noch schneller weg, die Staatspartei verliert einen Großteil der Mitglieder. Aber die Staatssicherheit, die Geheimpolizei, die die Ostdeutschen überwacht, arbeitet immer noch. Unverändert steht der Regierung ein SED-Vertreter vor. Das Regime ist beschädigt, aber nicht besiegt. Wie soll es weitergehen?

Die Proteste verschaffen den Oppositionsgruppen viel Aufmerksamkeit. Sie regen an, sich überall im Land mit den alten Machthabern an sogenannte Runde Tische zu setzen. Gemeinsame Absprachen und Entscheidungen sollen Gewalt verhindern und demokratische Wahlen vorbereiten. Besonders wichtig ist der Zentrale Runde Tisch in Ost-Berlin, der für sich beansprucht, die DDR-Regierung zu kontrollieren. Je 17 Vertreter der Opposition und der Regierungsparteien treten am 7. Dezember 1989 zunächst im Kirchsaal des Bonhoeffer-Hauses in Berlin-Mitte zusammen, drei Pfarrer moderieren die Gespräche. Später wechselt das Gremium ins Schloss Schönhausen nach Berlin-Pankow. Dort ist mehr Platz für die vielen Berater und Journalisten. Fernsehen und Radio der DDR übertragen die Diskussionen des Zentralen Runden Tischs live. "Alles war öffentlich. Und das war eine neue Erfahrung!", erinnert sich eine Teilnehmerin.

In der unklaren Lage kann der Runde Tisch nur empfehlen, nicht beschließen. Noch dazu soll er eine Regierung kontrollieren, die das nicht will. Dann fordern im Januar 1990 viele Tausende die sofortige Auflösung der Staatssicherheit. Das gleiche verlangt der Runde Tisch, doch zögert die Regierung die Umsetzung hinaus. Sie versucht, die neuen Kräfte von der Macht fernzuhalten. Unter dem Druck der Proteste gibt sie widerwillig nach. Vertreter der Opposition treten als Minister ohne Geschäftsbereich in die Regierung ein, die für Mai geplanten Wahlen werden auf den 18. März 1990 vorgezogen. Der Teilnehmer Matthias Platzeck, damals Grüne Liga: "Für mich ist der Runde Tisch ein Instrument gewesen, das, was möglich war, zu tun, um einen Umbruch, der eigentlich gar nicht gestaltbar ist, wenigstens zu bündeln und immer wieder zu sagen, 'macht es bitte ohne Gewalt'."

Mit der ersten freien und geheimen Wahl eines neuen DDR-Parlaments ist der Übergang zur Demokratie erreicht, die Arbeit des Runden Tisches endet. Die Wahl ergibt eine klare Mehrheit für die Befürworter einer schnellen deutschen Einheit. Der 3. Oktober 1990 wird zum Tag der Deutschen Einheit.

SCHLOSS SCHÖNHAUSEN

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Am Runden Tisch wird die Zukunft der DDR diskutiert. Dort trifft die Bürgerbewegung auf die alten DDR-Machhaber. Aktive aus den Oppositionsgruppen sprechen über Erfolge und Misserfolge der Gespräche.

00:00
00:00
Intro
Ulrike Poppe beobachtet ein Machtgefälle am Runden Tisch.
Wolfgang Templin empfindet die Verhandlungen als Misserfolg.
Matthias Platzeck spricht über die Funktion des Runden Tischs.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

Schloss Schönhausen

Wie kann eine demokratische DDR aussehen? Das wird 1989/90 am Zentralen Runden Tisch diskutiert. Mitglieder der Bürgerbewegungen verhandeln mit DDR-Politikern über die Zukunft. Die Teilnehmenden urteilen unterschiedlich über Erfolg oder Misserfolg der Gespräche.

ZEITZEUGIN

Ulrike Poppe

Die Bürgerrechtlerin der Bewegung “Demokratie Jetzt”, Ulrike Poppe, sieht ein deutliches Machtgefälle zwischen Teilnehmenden aus den Bürgerbewegungen und Regierungsvertretern.

"Wir waren ja relativ unerfahren. Wir hatten Oppositionserfahrung, aber es ist ja etwas völlig anderes, verantwortungsbewusste Entscheidungen zu fällen. Und nun gab es ja auch noch dieses Gefälle. Die Parteienvertreter hatten ihre Büros, ihre Apparate, ihre Berater hinter sich, während wir immer noch in unseren Küchen saßen und uns die Haare rauften und wir in der Tat ziemlich überfordert waren. Auf der anderen Seite wussten wir aber, was wir wollten. Die freien Wahlen standen natürlich erstmal im Mittelpunkt."

ZEITZEUGE

Wolfgang Templin

Wolfgang Templin ist einer der Gründer der Gruppe “Initiative Frieden und Menschenrechte” und vertritt diese am Runden Tisch. Sein Urteil über die Verhandlungen fällt negativ aus.

"Mein Gefühl, was damals begann und sich heute, im Nachhinein, viel stärker entwickelt hat, ist: Wir haben uns am Runden Tisch verdammt über den Tisch ziehen lassen. Das würde ich schon sagen. Wir konnten vieles nicht durchsetzen. Die Opposition konnte nicht stärker, größer, wichtiger sein als sie war. Aber sie hatte genug in die Waagschale geworfen und sie hatte genug Öffentlichkeit und Autorität, um ein paar der Ungleichgewichte, die uns später fast in die politische Bedeutungslosigkeit brachten, vielleicht auch stärker aufzufangen."

 

ZEITZEUGE

Matthias Platzeck

Der spätere SPD-Politiker und Ministerpräsident Brandenburgs Matthias Platzeck ist damals Sprecher des neu gegründeten ökologischen Netzwerks Grüne Liga am Runden Tisch.

"Wenn der Runde Tisch einen großen Vorteil hatte, dann den, alle relevanten Gruppierungen zu Wort kommen zu lassen und zwar die alten und die neuen. Denn es war ja auch wichtig, den Kontakt zu den Trägern der alten Macht zu halten und da nicht sofort mit dem Hackebeilchen zu sagen: 'Mit euch reden wir jetzt kein Wort mehr.' Sie hatten noch die Kasernen. Sie hatten die Leute in den Kasernen. Das musste man ja alles mit einbeziehen. Von daher ist es ein Übergangsinstrument, ein gutes. Es ist eine sehr konsensorientierte Runde gewesen, was wichtig für so eine Phase ist. Es ist natürlich dann für ein funktionierendes Gemeinwesen kein Instrument, weil es relativ entscheidungsfrei ist."

Zeitzeugenberichte schließen

SCHLOSS SCHÖNHAUSEN

Orte in der Nähe

Entdecken Sie weitere Orte zu den Themen Revolution, Einheit und Transformation in der Umgebung. Die Orte auf der Karte sind weniger als 3 Kilometer entfernt. Setzen Sie die Erkundungstour durch Berlin fort.

Adresse

Tschaikowskistraße 1
13156 Berlin
Mehr Informationen

ORTE DER EINHEIT

Themen erkunden

Der Kampf um Freiheit in der DDR, die Verwirklichung der Deutschen Einheit, das Zusammenwachsen Berlins – vertiefen Sie eins von drei Themen.

Google Maps temporär zulassen
Meine Favoriten
Kulturbrauerei
Berlin
Tränenpalast
Berlin