Ein lauer Sommerabend im August 2021 auf dem Johannes Fest-Platz im Lichtenberger Süden in Berlin-Karlshorst. Eine Band spielt, das Publikum bewegt sich zur Musik. Später am Abend tanzen die Menschen ausgelassen mit blau leuchtenden Kopfhörern bei der Silent Disco zu Techno Musik. Im Hintergrund prangt ein schwarzer Schriftzug auf buntem Hintergrund über dem Eingang eines wuchtigen neoklassizistisch-stalinistischen Baudenkmals: KAHO. Raum für Kultur.
Haus der Offiziere, Russenoper oder KAHO: Diese und viele weitere Namen trägt ein Gebäude, welches die wechselvolle Geschichte der Stadt Berlin und des Ost-Berliner Ortsteils Karlshorst vergegenwärtigt. Hier sind von 1945 bis 1994 die meisten Soldaten der sowjetischen – später russischen – Armee in Berlin stationiert. Nach ihrem Abzug im August 1994 lassen die Streitkräfte im ehemals größten innerstädtischen Sperrgebiet nicht nur ihr Hauptquartier, eine KGB-Zentrale, Kasernen und rund 300 Häuser und Wohnungen zurück. Es verbleibt auch - nur wenige Schritte vom S-Bahnhof entfernt - ein imposanter neoklassizistisch-stalinistischer Theaterbau.
Ende der Vierzigerjahre lässt die sowjetische Militäradministration das Dramatische Theater Karlshorst bauen. Das sogenannte "Haus der Offiziere" dürfen ab 1949 zunächst nur sowjetische Militärangehörige, Zivilangestellte und ihre Familien besuchen. Die Menschen aus Karlshorst können die militärische Sperrzone, in der sich auch das Theater befindet, ab 1945 nur mit einem Passierschein, durchqueren. Auch wenn sich das Sperrgebiet bis 1963 nach und nach verkleinert, bleibt ein Bereich um die Militäradministration bis zum Abzug der Armee 1994 für die Zivilbevölkerung eine verbotene Zone.
Im Theater Karlshorst stehen Stars wie die russische Primaballerina Galina Uljanowa vom Moskauer Bolschoi-Ballett oder das Ensemble der Peking-Oper auf der Bühne. Die Berlinerinnen und Berliner nennen das Theater deswegen auch "Russenoper" oder "Bolschoi von Berlin". Erst nach 1963 kann die DDR-Bevölkerung dort Konzerte, Theater-, Film- oder Schulvorführungen besuchen und Jugendweihen feiern. Nach der Wiedervereinigung wird das Haus in den Neunzigerjahren als "Theater des Ostens", später als "Theater am Bahnhof Karlshorst" bis 2007 weiter betrieben. Danach bleibt der imposante Theatersaal über 10 Jahre ungenutzt, eine Musikschule und ein Restaurant ziehen in den Westflügel ein.
Seit 2018 belebt die Stiftung Stadtkultur das Theater wieder. Mit einem neuen Namen startet die ehemalige Russenoper als "KAHO. Raum für Kultur" mit einem Interimsprogramm in eine neue Zukunft. Zusammen mit Menschen aus Politik, Kultur und Architektur sowie der Karlshorster Nachbarschaft entwickelt die Stiftung das Theatergebäude mit Konzerten, Audiowalks und kooperativen Theaterstücken draußen und drinnen zu einem modularen Veranstaltungsort.