Einheit

Tränenpalast

Der Tränenpalast in Frontalansicht mit Glasfront und Eingangstür vor dem Bahnhof Friedrichstraße im Dämmerlicht.

Tränenpalast, 2019.

Menschenmassen vor dem Tränenpalast, links ein Trabi.

Endlich offen, aber noch immer mit Kontrollen: Gedränge vor dem Tränenpalast am 10. November 1989.

TRÄNENPALAST

Vom Grenzübergang zum Museum

Früher zittern hier jeden Tag Tausende, ob DDR-Beamte ihnen den Weg von Ost nach West gestatten. Heute erinnert eine Ausstellung am historischen Ort an die Teilung Deutschlands und Berlins.

DIE GESCHICHTE HÖREN

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"Wenn der sogenannte West-Besuch durch diesen Tränenpalast wieder nach Hause fuhr, wusste man nie ganz genau, ob man sich wiedersehen wird", erinnert sich Angela Merkel, Bundeskanzlerin von 2005 bis 2021, an die Abschiede von ihrer Großmutter am Bahnhof Friedrichstraße. Der ist seit dem Mauerbau 1961 ein Grenzübergang. Während die übrigen Bahnhöfe in Grenznähe gesperrt sind, verkehren hier noch Züge in den Westteil der Stadt.

Die Menschen, die in den Westen reisen, werden von den Grenzbeamten besonders streng kontrolliert. Dafür braucht es Platz. Nördlich des Bahnhofs entsteht 1962 ein Bau, der zunächst dem Empfang dienen soll, dann aber für die Abfertigung Ausreisender genutzt wird: der Tränenpalast. Diesen Namen trägt er wegen der vielen Abschiedstränen, die die Menschen vor dem Gebäude vergießen. In der Halle stehen enge Kabinen, in denen die Reisenden den wortkargen Kontrolleuren den Pass vorlegen. Ein ehemaliger Grenzbeamter gibt zu: "Wir haben auch ein bisschen schikaniert, willkürlich ausgesucht und starke Kontrollen gemacht." Nach der Pass-Sichtung gehen die Reisenden einen Gang entlang hinüber ins Bahnhofsgebäude. Durch ein Labyrinth aus Treppen und Passagen erreichen sie einen der Bahnsteige. Von dort fahren S-Bahnen oder Züge nach Westen. Über die Jahre passieren immer mehr Menschen diesen Übergang, allein 1988 sind es etwa 10 Millionen. Im Jahr darauf fällt die Mauer, am 1. Juli 1990 enden die Kontrollen. Niemand ist mehr den Ängsten und der Bedrückung ausgesetzt, die der Tränenpalast bis dahin auslösen konnte.

Noch vor der Wiedervereinigung stellt die erste frei gewählte DDR-Regierung den Tränenpalast unter Denkmalschutz. Das leerstehende Gebäude mietet ein Kulturunternehmer vom Land Berlin, Kleinkünstlerinnen und Weltmusiker treten auf. Die benachbarte Freifläche an der Friedrichstraße verkauft der Berliner Senat im Jahr 2000 an einen Investor, der später auch den Tränenpalast übernimmt. Historikerinnen und Historiker regen an, dort zu vermitteln, wie die deutsche Teilung den Alltag prägte. Die Stiftung Haus der Geschichte erarbeitet dazu eine Ausstellung, die zudem die friedliche Revolution und den Einigungsprozess erfahrbar macht. So wird 2011 aus dem Ort der Teilung ein Ort der Erinnerung. Im Besucherbuch steht: "Alles hier Gezeigte hat mich emotional sehr berührt, da viele Dinge, die ich schon glaubte, verarbeitet zu haben, wieder hochkommen. Die Enge, der Druck, das ganze diktatorische Gehabe, der Zwang … Gut, dass dieses überwunden ist!"

TRÄNENPALAST

Zeitzeuginnen und Zeitzeugen berichten

Während der deutschen Teilung ist der Tränenpalast in Ost-Berlin Schauplatz dramatischer Abschiedsszenen. Ost-Berliner berichten von ihren bewegenden Erlebnissen an diesem Ort und wie diese ihre Sicht auf das DDR-Regime prägen.

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Intro
Karl-Heinz Richter hilft Freunden bei der Flucht.
Christine Köndgen verliebt sich im Westen.
Paul van Dyk hat eine unangenehme Begegnung.
Erinnerungen hören Erinnerungen lesen

Tränenpalast

Während der deutschen Teilung ist die Ausreisehalle an der Friedrichstraße in Ost-Berlin ein Ort schmerzhaften Abschieds. Westverwandte kehren über den sogenannten Tränenpalast nach Hause zurück. Freunde verlassen die DDR – manchmal für immer. Heute erinnert die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland hier mit einer Ausstellung am historischen Ort an die deutsche Teilung.

ZEITZEUGE

Karl-Heinz Richter

Karl-Heinz Richter schleust Freunde von Ost nach West. Er erzählt, wie er ihnen in der Nähe des Bahnhofs Friedrichstraße hilft, auf den Moskau-Paris-Express aufzuspringen und so in den Westen zu gelangen.

"Und dann war mir eigentlich klar: Die Stelle ist doch nicht verraten worden. Also die war sauber. Und dann begannen wir ja erst mit der Flucht. Wir haben andere Kameraden informiert und haben gesagt: 'Du möchtest da rüber?' – 'Joaa.' – 'Und jetzt bleibst du eigentlich hier, jetzt lassen wir dich nicht mehr nach Hause.' So war das alles geplant. Dann haben wir sie hingebracht zu dieser Stelle und dort vor Ort erst alles erklärt. Also im Prinzip zehn Minuten bevor der Zug fuhr, haben die Kumpels von uns erst mitgeteilt bekommen, wie das überhaupt abläuft. Aber die haben uns vertraut und haben das sofort umgesetzt. War schon irre."

ZEITZEUGIN

Christine Köndgen

Von einer Westreise kommt Christine Köndgen über den Bahnhof Friedrichstraße zurück nach Ost-Berlin. Sie spricht darüber, dass sie sich in Hessen verliebt hat, weiß aber nicht, ob diese Ost-West-Beziehung eine Chance hat.

"Und dann habe ich zu ihm gesagt: 'Ich muss wieder durch diese Mauer zurück nach Ost-Berlin und die geht danach wieder hoch. Die ist nur einmal aufgegangen für mich. Ich weiß gar nicht, wie wir das alles machen wollen. Und wenn, dann musst du irgendwie durch die Mauer kommen, ich kann es mir nicht vorstellen, dass das geht.' Euphorisch bin ich wieder zurückgefahren und hier in Empfang genommen worden von der Familie. Meine Eltern haben mich hier, Friedrichstraße, wieder abgeholt. Ich bin da das erste Mal bei der Ausreise durch den Tränenpalast gegangen, hatte ich ganz vergessen, zu erwähnen. Man musste immer durch so eine komische Klapptür im S-Bahnhof Friedrichstraße, die habe ich da so aufgeschwungen. Meine Eltern standen da und ich habe zu meiner Mutter gesagt: 'Na Mutti, willst du einen neuen Schwiegersohn haben?'"

ZEITZEUGE

Paul van Dyk

Der weltbekannte DJ Paul van Dyk wächst in Ost-Berlin auf. Als er noch ein Kind ist, bringt er gemeinsam mit seiner Mutter Freunde für deren Ausreise zum Tränenpalast. Was dort geschieht, berichtet er, lässt seine Mutter an der DDR zweifeln.

"Ich hatte damals eine Freundin, deren Familie auch einen Ausreiseantrag gestellt hatte. Sie durften ausreisen und wir haben die dann zum sogenannten Tränenpalast in die Friedrichstraße gebracht. Ich glaube einer der Punkte war, als dann der entsprechende Beamte dort mir die Kalaschnikow irgendwie quasi so vor die Brust... und mich wieder wegschob. Ich denke, das war so ein Punkt, wo meine Mutter irgendwie auch erkannt hat: Das ist nicht das, wie es sein kann und wie es sein darf."

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Adresse

am Bhf. Friedrichstraße
Reichstagufer 17
10117 Berlin
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