In Freiheit tanzen junge Menschen aus der ganzen Welt nach dem Mauerfall in ganz Berlin. Das Wum-Wum der Bässe ist hart, metallen, roh. Schwitzende Körper flackern abgehackt im blitzenden Stroboskoplicht auf der tief vernebelten Tanzfläche auf. Techno-Musik ist neu und reißt seit den frühen Neunzigerjahren junge Menschen aus Ost und West mit. Im März 1991, eineinhalb Jahre nach dem Fall der Mauer, eröffnet der Tresor-Club. Er ist der erste Technoclub an einem festen Standort in der wiedervereinigten Stadt.
Der Club befindet sich in einem lange vergessenen Kellerraum – einem Tresor – der einst zum traditionsreichen Wertheim-Kaufhaus am Leipziger Platz gehört. Zu DDR-Zeiten steht die Kaufhaus-Ruine am Grenzstreifen zunächst leer, wird dann Mitte der Fünfzigerjahre abgerissen. Nur der Keller, in dem früher hinter Stahl und Beton Geld und Wertgegenstände aufbewahrt werden, überdauert die Teilung. Derartiger Leerstand zieht nach dem Mauerfall viele Kreative aus Musik und Kunst in die Stadt.
Berlin ist lange eine Stadt der Rockmusik, bis sich ab Ende der Achtzigerjahre Techno ausbreitet. Die neue Musik kommt aus Detroit in den Vereinigten Staaten. Schon im Sommer 1989 findet in West-Berlin die erste Loveparade als Technoumzug statt. Damals nehmen nur einige hundert Menschen teil. Nach dem Mauerfall explodiert die Szene. Die dröhnenden Bässe transportieren für viele das Gefühl der Zeit und bringen junge Menschen aus beiden Teilen der Stadt zusammen. Techno wird zur ersten gesamtdeutschen Jugendbewegung. Die Szene zieht schnell auch Feierfreudige aus der ganzen Welt in die Stadt.
Rund um das ehemalige Grenzgebiet stehen verfallende Warenhäuser, Fabrikhallen und Bunker. In Ost-Berlin bricht mit dem Mauerfall auch die Verwaltung zusammen. Eigentumsverhältnisse sind mitunter ungeklärt. Oft ist in den leerstehenden Gebäuden sogar noch Elektrizität vorhanden. Die Veranstalter müssen nur noch ihr Equipment anschließen. Offiziell angemeldet werden die Partys selten. Die Räume verwandeln sich meist nur kurzfristig oder gar einmalig zur Feierlocation. In Berlin gibt es keine Sperrstunde. Das ganze Wochenende wird durchgetanzt, Drogen gehören dazu. Ein DJ von damals resümiert: "Wer sich noch erinnern kann, war nicht wirklich dabei." Doch dabei sein können nicht alle. An den Türen der Locations wird ausgewählt, wer erwünscht ist und wer nicht.
Mit der Eröffnung des Tresors ist Techno endgültig in Berlin etabliert. Die alte Tresortür ist ein Zugang zu einer anderen Welt. Berlin und Detroit verschmelzen. Die Partys und das eigene Musiklabel des Tresors beeinflussen die Technoszene in ganz Europa. Legendäre DJs und Pioniere des maschinell-funkigen Detroit-Technos, wie Jeff Mills und Juan Atkins fliegen aus den Vereinigten Staaten ein, um zwischen hunderten aufgebrochenen Schließfächern aufzulegen. Auch viele deutsche DJs werden hier bekannt.
Das Grundstück in zentraler Berliner Lage ist für die Bebauung attraktiv und umkämpft. Der Club erhält nur kurzfristige Mietverträge. 2005 muss der Tresor ausziehen und ein Investor bebaut das Gelände neu. Der Club zieht in das alte Heizkraftwerk Berlin-Mitte. Hier geht die Technoparty seit 2007 weiter.